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Scores für einen Ganges Flussdelfin und eine Textilarbeiter*in


Scores für einen Ganges Flussdelfin und eine Textilarbeiter*in #1–2 ist eine Performanceprojekt von Stefanie Knobel, das sich in der Intersektion von Klassismus, Postkolonialismus und Mehr-als-Menschlichen Akteur:innen situiert. Die Arbeit geht aus Stefanie Knobels jahrelanger Recherche zu Baumwolle und den institutionellen Zusammenhängen und ihrer fortlaufenden Performance- und Bewegungspraxis hervor, die sie in diesem Projekt mit den Wahrnehmungsweisen eines quasi-blinden Flussdelfins verbindet.

Den Hintergrund des Projekts geben zwei grossangelegte Expedition eines Schweizer Forschungsteams an den Brahmaputra in Indien und an den Indus in Pakistan im Jahr 1969. Ziel der Schweizer Expedition war es zwei blinde Ganges-Flussdelfine zu fangen und zu Studienzwecken in die Schweiz zu bringen.1

Die lokale Bevölkerung am Indus wird im Dezember 1969 angeheuert, diesen gewaltvollen Fang für die Universität Bern zu vollbringen. Der Delfinfang gehört nicht zu den lokalen Tätigkeiten. Mit einem feuchten Baumwolltuch umwickelt, wurden die Delfine mit einem privaten Swissair Flug nach Zürich und anschliessend ins Hirnanatomische Institut der Universität Bern in der Waldau gebracht. Die Delfin-Expedition wurde von der Schweizer Stiftung Volkart mit Sitz in Winterthur, die aus der Handelsfirma der Gebrüder Volkart hervorgeht, grosszügig mitfinanziert.

Das Schweizer Unternehmen entwickelte sich in der Kolonialzeit zum grössten Handelsunternehmen auf dem indischen Subkontinent. Dank ihrer grossen Indienexpertise und dem Erwerb von Knowhow im Umgang mit lokalen Akteur*innen, war es dem Handelsunternehmen möglich, ihren kolonialen Baumwollhandel auf dem indischen Subkontinent in abgelegene und schwer zugängliche Regionen zu bringen.2 Ein Knowhow, auf das, europäische Firmen, die in Indien eine Niederlassung aufbauen wollten, oft angewiesen waren und es bleibt anzunehmen, dass auch die Delfin-Expedition der Berner Universität auf diesem Pioniergeist fusste.

Die Gebrüder Volkart schaffen es ab den 1870er Jahren in Indien in schwer zugängliche Gebiete einzudringen und treiben dadurch die Zerstörung der indischen Textilindustrie weiter an. In den kolonialen Praxen des Schweizer Transithandels einerseits, und der wissenschaftlichen Expedition andererseits, werden ausbeuterische und gewalttätige Handlungen als abenteuerliche Pionier-Expeditionen präsentiert, die die kolonialen Zusammenhänge dahinter kaschieren.

Es bleibt auch verborgen, dass die blinden Delfine, äusserst sensible Tiere sind und über ein hochausdifferenziertes Hörvermögen verfügen. Lärm ist auch für die italienischen Textilarbeiter*innen ein Problem, die in den 1970er Jahren im grossen Masse in die Schweizer Baumwollspinnereinen geholt wurden um die u.a. aus dem indischen Subkontinent stammende Baumwolle zu verarbeiten.


Soundfile für Scores für einen Ganges Flussdelfin und eine Textilarbeiter*in #1/#2, 2024/2025
Fussnoten

1 Siehe Giorgio Pilleri: Die Geheimnisse der blinden Delphine, 1975.
2 Siehe Sven Beckert: King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus, 2019.




Bisherige Performances und Veranstaltungen:

Scores für einen Ganges Flussdelfin und eine Textilarbeiter*in #1
Installation mit Live Performances im Aargauer Kunsthaus, Aarau, 2024
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Scores für einen Ganges Flussdelfin und eine Textilarbeiter*in #2
Installation mit Live Performance begleitet von einem Gespräch mit Textilarbeiter*innen im Helmhaus Zürich, 2025
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