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On Surfaces and Structures Winterthur Reviews Zurück zu den Projekten
Die Ausstellung On Surfaces and Structures, 23.3 – 24.5.2025 in der Coalmine – Raum für Fotografie in Winterthur, zeigte vier Arbeiten: die räumliche Intervention Untitled, das Performancevideo seeping in, die Performance The House, und das gedruckte Gespräch A Cotton Conversation (mit Samrat Banerjee).





The House
Live Performance
Stefanie Knobel entwickelte für ihre Ausstellung On Surfaces and Structures im Volkarthaus eine neue Live-Performance mit dem Titel The House. Diese zeigte sie am Samstag, den 24. Mai gemeinsam mit Charlotte Mathiessen und Nina Richard im repräsentativen Lichthof des Volkarthauses. Der ehemalige Firmenhauptsitz der Gebrüder Volkart, der Ort von wo aus den lukrativen globalen Geschäften mit Rohbaumwolle gesteuert wurden, wird konfrontiert mit Gesten der Widerständigkeit und der Auflehnung. Raum wird eingenommen, Verhältnisse werden umgedreht. Durch repetitive Bewegungsabläufe, die auf Stefanies Praxis des Hörens mit dem Hyoid-Bone basieren und aus ihrer Zusammenarbeit mit ehemaligem Textil­arbeiter*innen hervorgehen, eröffnen sich mehr-als-menschliche Relationen, die die feste Ordnung destabilisieren und das, was verdeckt ist, adressieren. Begleitet von einem Soundteppich bestehend aus Geräuschen automatischer Spinnmaschinen, verwoben mit Geräuschen von Flussdelfinen, formuliert sich durch die choreografierten Bewegungen ein stummer Schrei, eine laute Abwesenheit.

Performanceansicht The House, On Surfaces and Structures, 2025. Bild: Guadaloupe Ruiz.

Performanceansicht The House, On Surfaces and Structures, 2025. Bild: Guadaloupe Ruiz.

Performanceansicht The House, On Surfaces and Structures, 2025. Bild: Guadaloupe Ruiz.


The House, 2025 Performance von und mit Stefanie Knobel
mit Charlotte Mathiessen & Nina Richard
Bewegungsdramaturgische Begleitung: Jessica Huber
Soundmixing/Mastering: Vidyanand Bhaskar






Untitled
Räumliche Intervention
Untitled ist eine räumliche Intervention von Stefanie Knobel, die 2025 für das Volkarthaus in Winterthur geschaffen wurde. Das Gebäude war von 1904 bis 1928 den Handels­hauptsitz der Gebrüder Volkart und beherbergt heute die Volkart Stiftung. 1851 in Winterthur und Bombay (heute Mumbai) von den Brüdern Salomon und Johann Georg Volkart gegründet, war die Firma im globalen Transithandel mit Kolonialwaren tätig, und bald führend im weltweiten Baumwollhandel, u.a. mit dem Export von Rohbaumwolle aus dem indischen Subkontinent.

Im Untergeschoss des Volkarthaus hat die Künstlerin im Untergeschoss des Volkarthaus, (welches den Kunstraum Coalmine – Raum für Fotografie beherbergt), alle gebauten, weissen Wände des Ausstellungsraums mit einem Baumwollstoff bespannt. Es handelt sich um einen handgewobenen, gebleichten Khadi-Baumwollstoff von der Produktionsfirma Chandrakanta Lalitmohan in Islampur, im Murshidabad Distrikt im indischen Bundesstaat Westbengalen, den die Künstlerin nach Winterthur versenden liess. Khadi geht historisch auf die Bewegung des zivilen Ungehorsams gegen die britische Kolonialherrschaft zurück, welche die billigen Baumwollprodukte aus Grossbritannien boykottierte und gleichzeitig die einheimische Textilproduktion förderte, die unter der britischen Herrschaft zerstört worden war. Die Wandbespannung reflektiert den White Cube als vermeintlich neutralem Ausstellungsraum.

Zwischen den Übergängen von einem Ausstellungs-raum in den anderen sowie an einzelnen Wänden liegen zusätzlich Aluminium­platten mit den Begriffen «Import», «Baumwollmuster», «Baumwolllager», «Saaten», «Kohlenraum», «Panzerkammer», «Archiv-Räume» und «Privat». Diese Namen stammen von den Raumbezeichnungen und -nutzungen auf den Originalplänen des Volkarthauses. In einer Geste der Wiederholung und Übersetzung eignete sich Stefanie die Originalschrift auf den Plänen an, indem sie sie mehrfach von Hand kopierte und sie schliesslich auf die Aluminium­platte übertrug.

Untitled, On Surfaces and Structures, 2025. Bild: Guadaloupe Ruiz.

Untitled, On Surfaces and Structures, 2025. Bild: Guadaloupe Ruiz.

Untitled, gebleichter Khadi-Baumwollstoff von der Produktionsfirma Chandrakanta Lalitmohan in Islampur, Murshidabad, Indien. On Surfaces and Structures, Coalmine, Winterthur, 2025. Bild: Guadaloupe Ruiz.

Installationsansicht The House, Aluminiumplatten mit Raumbezeichnungen, On Surfaces and Structures, Coalmine Winterthur. Bild: Guadaloupe Ruiz.




seeping in
Performancevideo
Die Spannung zwischen dem Volkarthaus, seiner Geschichte und dem (eigenen) Körper erweitert Stefanie Knobel in der Videoarbeit seeping in, 2025. Sie befindet sich im repräsentativen Lichthof des Volkarthauses im Erdgeschoss. Das Video verbindet eine Bewegungs­sequenz im Ausstellungsraum mit einem von der Künstlerin an die Baumwolle adressierten Text, worin sie die fundamentale Bedeutung der Baumwolle für Kontinentaleuropa als Kapital aufgreift und somit die kapitalen Verstrickungen bis hinein in die Kulturinstitutionen – in den sogenannt «neutralen» White Cube – und in ihren eigenen weissen Körper benennt. Die Performance der Künstlerin ist analog dazu ein tastendes Moment der Befragung, das «der Körper mit dem Körper schreibt». Stefanie Knobel folgt dabei einer spezifischen Grammatik, die sich aus vergangenen Performances speist und aus Bewegungen von Textil­arbeiter*innen, Textilmaschinen und der Struktur ihres eigenen Körpers formt. Die Bewegungen resultieren aus einer internen physischen Kompositions­arbeit bei der die Künstlerin spezifische Körperteile adressiert. Sie tritt in Reibung mit dem handgewobenen Stoff, zögernd, suchend, in der Vertikalen und der Horizontalen, bis zur Decke. «Ich trete in einen Dialog mit der Baumwolle, suche aber auch den Kontakt mit dem White Cube als «Werterzeugnisapparat». Meine Bewegungen sind vom Zungenbein gesteuert, das mit dem Gehör und damit für mich mit einem aufmerksamen Zuhören verbunden ist», wie die Künstlerin ihren Zugang beschreibt.


Installationsansicht seeping in, On Surfaces and Structures, 2025. Photo: Guadaloupe Ruiz.

seeping in, On Surfaces and Structures, 2025. Kamera: Carlotta Holy-Steinemann

Videostill seeping in, On Surfaces and Structures, 2025.

Videostill seeping in, On Surfaces and Structures, 2025.


seeping in, 2025
Video, Farbe, Ton, 8.23 Min., Loop

Regie und Performance: Stefanie Knobel
Bewegungsdramaturgische Begleitung: Jessica Huber
Kamera: Carlotta Holy-Steinemann
Editing: Laura Rodriguez Pérez
Tonmixing/Mastering: Vidyanand Bhaskar
Color grading: Patrischa Freuler
Kostüm: Karolin Braegger




A Cotton Conversation
Gedrucktes Gespräch
Ein letzter Teil der Ausstellung On Surfaces and Structures bildet ein Gespräch zwischen Stefanie Knobel und dem Künstler Samrat Banerjee (A Cotton Conversation, 2025). Darin sprechen die beiden aus ihren jeweiligen Perspektiven und Erfahrungen über die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Baumwolle. Sie befragen auch, inwiefern Schweizer Handelsunternehmen von der globalen kolonialen Wirtschaftsordnung jener Zeit profitieren konnten und wie koloniale Narrative bis heute nachwirken, in Indien und in der Schweiz.

A Cotton Conversation, 2025. Bild: Stefanie Knobel


A Cotton Conversation, 2025
Text von Stefanie Knobel und Samrat Banerjee
Grafikdesign: Angela Wittwer